Siamnd Ossi

BIM Coordinator. Architect. Founder

Sind Alle Digital?

Die Digitalisierung im architektonischen Berufsfeld - Sind ALLE digital

Die Digitalisierung im architektonischen Berufsfeld – Sind ALLE digital?


Die Schritte der Digitalisierung im architektonischen Berufsfeld haben immer alltägliche Herausforderungen mit sich gebracht. In Bezug auf technische Kenntnisse, Details und neue Werkzeuge (Geräte) haben solche digitalen „Anpassungen“ bei den ersten CAD-Softwares Schwierigkeiten verursacht. Die Aussage vieler Architekten, die zuvor nur handgefertigte Zeichnungen angefertigt haben, war, dass sie am Anfang das architektonische Gefühl verloren hätten. Wie sieht es nun mit der aktuellen BIM-Wende aus?

Sind ALLE digital? 

Die aktuellen Zustände in einem typischen Baugenehmigungsprozess in Deutschland zeigen, dass viele Architekturbüros und -firmen im Bereich der Digitalisierung weiter fortgeschritten sind als die Genehmigungsbehörden. In Deutschland hat die Papierform immer noch (und ausschließlich) rechtliche Bindung.[1] Außerdem wird immer noch häufig gefaxt, was den digitalen Informationsaustausch verhindert. Natürlich werden gedruckte Papiere und Unterlagen in Notfällen und zur Archivierung benötigt, jedoch können sie heutzutage das digitale Format nicht ersetzen. Selbst die Karten bei Genehmigungsbehörden stehen manchmal nur in Papierform zur Verfügung, was für Architekten eine mühsame Nachzeichnung und einen möglichen Datenverlust bedeutet. Die genannten Zustände können allein durch den Privatsektor nicht geändert werden, daher sind gesetzliche Maßnahmen sinnvoll. 

Der typische Prozess des 'Druckens, Unterschreibens und Nachscannens' verursacht erhebliche Probleme, wie beispielsweise den Verlust des Zugriffs auf Rastergrafik-Daten, eine zunehmende Dateigröße, verpixelte Daten und das Fehlen von Texterkennung.

Datenaustausch durch PDF-Format 

Für viele Genehmigungsbehörden, Bauherren und Büros bedeutet der Begriff ‘digital’ ausschließlich das PDF-Format. PDF bietet viele Vorteile und ist mit verschiedenen Geräten kompatibel. Allerdings ist das PDF-Format nicht die ideale Form für den Austausch von BIM- oder sogar CAD-Daten. BIM-Modelle werden detailliert erstellt und in Verbindung mit ihren Datenbanken über einen längeren Zeitraum bearbeitet. Dennoch werden oft nur die PDF-Versionen an Bauherren und Behörden übergeben. Sogar anderen am Bau Beteiligten wird manchmal nur das PDF-Format zur Verfügung gestellt und verwendet. 

Im schlimmsten Fall werden die PDF-Daten als Rastergrafik [2] ausgetauscht. Zeichnungen und Texte im PDF-Format liegen in der Regel als Vektorobjekte vor [3] und können theoretisch in CAD- oder BIM-Software importiert werden. Viele Daten aus BIM oder CAD werden jedoch gedruckt und dann als PDF nachgescannt. Der typische Prozess des ‘Druckens, Unterschreibens und Nachscannens’ verursacht erhebliche Probleme: Es besteht kein Zugriff auf Rastergrafik-Daten, die Dateigröße nimmt zu, die Daten können verpixelt sein und es gibt keine Texterkennung. 

Die Papierform hat immer noch (und ausschließlich) rechtliche Bindung. Außerdem wird immer noch häufig gefaxt, was den digitalen Informationsaustausch verhindert.

Ein Beispiel für ein solches Verfahren sind die ‘digitalen’ Karten im Geoportal der Stadt Kassel. Die Karten haben zwar eine relativ gute Qualität, werden jedoch nachgescannt und enthalten keine Vektorgrafik-Daten [4]. Ein Architekt, der solche Daten nutzen möchte, muss sie entweder selbst nachzeichnen oder eine andere Quelle finden – was möglicherweise mit Kosten verbunden sein kann [5].

Ist es möglich, zukünftig digitale Unterschriften bei Genehmigungsbehörden, Notaren und beglaubigten Übersetzern einzuführen? Um diese Frage zu beantworten, müssen neue Maßnahmen ergriffen werden, da digitale Daten ein sensibles Thema sind. Aufgrund der täglichen Cyberangriffe und des Datenschutzes besteht natürlich Unsicherheit hinsichtlich einer vollständigen Digitalisierung. Die nächsten Schritte sollten in den Austauschnormen liegen: Durch Standards für den Datenaustausch könnten das Closed-BIM-Verfahren [6] vermieden und die sogenannten Datengrenzen entfernt werden.

Die gesamte Situation liegt auch daran, dass nicht alle Architekten und Büros ihre BIM-Daten weitergeben möchten. Einige betrachten solche Daten als ‘unbezahlte Leistungen’, die nicht kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen. Gemäß der HOAI können BIM-Leistungen als Sonderleistungen vergütet werden.

Schlusswort 

Die Digitalisierung im architektonischen Berufsfeld hat bereits Fortschritte gebracht, aber es gibt noch Herausforderungen zu bewältigen. Um den digitalen Wandel weiter voranzutreiben, sollten folgende zukünftige Schritte in Betracht gezogen werden:

1. Förderung einer umfassenden Digitalisierung: Es ist wichtig, dass alle Akteure im architektonischen Berufsfeld, einschließlich Genehmigungsbehörden und Büros, sich aktiv für eine vollständige Digitalisierung einsetzen und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

2. Etablierung digitaler Standards und Protokolle: Es sollten einheitliche Standards und Protokolle für den Austausch von BIM- und CAD-Daten entwickelt werden, um die Interoperabilität zu verbessern und eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Parteien zu ermöglichen.

3. Schulungen und Weiterbildung: Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Architekten und Fachleute im architektonischen Berufsfeld regelmäßig geschult und weitergebildet werden, um ihre digitalen Fähigkeiten und Kenntnisse zu erweitern. Dies hilft, den Übergang zur digitalen Arbeitsweise zu erleichtern und die Vorteile der digitalen Technologien voll auszuschöpfen.

Indem wir diese zukünftigen Schritte umsetzen, können wir die Digitalisierung im architektonischen Berufsfeld weiter vorantreiben und die Effizienz, Zusammenarbeit und Qualität der Arbeit verbessern. Die digitale Transformation bietet eine Vielzahl von Chancen, und es liegt an uns, sie zu nutzen und die Architekturbranche in eine digitalisierte Zukunft zu führen. 

Literatur & Fußnoten


[1] Zitat aus einer Ausschreibung der Stadt Freiburg: „Achtung! Angebote und Teilnahmeanträge in Papierform müssen nach den gesetzlichen Bestimmungen ausgeschlossen werden. Außerdem ist eine Abgabe per Fax oder E-Mail nicht zulässig.“ Quelle: stadt.freiburg.de im Jahr 2018! Es sind außerdem zahlreiche Fälle von ähnlichen Situationen bundesweit zu sehen.

[2] Rastergrafik oder Pixelgrafik sind Grafiken, die aus Pixel bestehen. Wie z. B. .jpg oder .png / Quelle: www.khronos.org/opengl/

[3] Vektorgrafik sind Computergrafikbilder die aus einer Kombination aus einfachen geometrischen Formen bestehen. / Quelle: www.khronos.org/opengl/

[4] Die PDF-Karten sind auf geoportal.kassel.de/ zusehen. (Optionen des Herunterladens)

[5] Eine Lösung für alte Unterlagen bezieht sich auf BIG Data: alle alte Unterlagen werden gescannt, dann mit OCR-Technologie in Texte und Vektors verwandt und besser archiviert. Dies erleichtert das zukünftige Suchen. Denn beim Cloud-Computing können Suchergebnisse schneller erledigt werden. Das hilft beim BIM- sowie CAD-Austausch und der Teamarbeit besonders in komplexen Projekten.

[6] ” Closed-BIM ” oder “Normal BIM” steht in für eine eingeschränkte Entwurfsumgebung, in der die Teilnehmer eine einzelne Software-Suite oder -Plattform verwenden müssen, die als Folge dieser Einschränkung die Zugänglichkeit für diejenigen einschränkt, die mit diesem bestimmten Tool nicht vertraut sind. Quelle:  Nathan, Hudson Closed BIM Versus openBIM – The Opportunities, Challenges and Implications of openBIM [Buch]. – Huddersfield: BIM Journal Ltd, 2018.

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